Wissenschaft gehört ins Netz, das ist heute fast selbstverständlich. Studien zeigen: Arbeiten, die auf Social Media geteilt werden, werden häufiger zitiert. Plattformen wie Bluesky, LinkedIn und Co. bringen Forschung in den Blick von Journalist:in...
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Forschen geht durch den Magen
Von Wiley-VCH zur Verfügung gestellt
Der Ig-Nobelpreis würdigt Forschung, die „erst zum Lachen, dann zum Nachdenken anregt“. Dieses Jahr ging es ums Verdauen: von Teflon, perfekter Pastasauce und einer Stimulanz für besseres Holländisch.
Am Ende der Ig-Nobelpreisverleihung setzte sich William Kaelin, echter Nobelpreisträger von 2019 für Physiologie und Medizin, zum Gruppenfoto einen kissengroßen Plüschknoblauch als Hut auf. Überall sonst wäre es das Thema des Abends gewesen, aber bei der planmäßig chaotischen Vergabe der Ig-Nobelpreise ging es fast im Rauschen unter.
Die Preisträger:innen der Ig-Nobelpreise werden jedes Jahr im September gekürt – kurz vor ihren seriöseren Vorbildern (S. 8). Und auch die Ig-Nobeljury hält Chemie für wichtig; den Preis erhielten israelische und US-amerikanische Forscher für ein Paper, das so beginnt: „Die Menschheit hat Null-Kalorien-Drinks, aber noch immer haben wir nicht den Sprung ins Reich der Null-Kalorien-Nahrungsmittel gemacht.“ Sättigung liege hauptsächlich an der Dehnung des Magens. In Ihrer Studie testeten die drei Autoren, ob das chemisch inerte Polytetrafluorethylen (PTFE, Teflon) zu essen ein guter Weg ist, um schneller satt zu werden. Die Antwort lautet ja – zumindest für Ratten. Nach 90 Tagen mit einer 3:1-Essen-zu-Teflon-Diät nahmen diese ab und zeigten keine Vergiftungserscheinungen. Die Wahl fiel auf Teflon, weil die Forschenden es schlicht für besonders inert halten. Tradition ist, dass echte Nobelpreisträger:innen die Preise übergeben. Moungi Bawendi, Quantenpunktforscher und Chemienobelpreisträger von 2023, hielt die Laudatio und verlas die Rede der Preisträger:innen, denn diese waren nicht angereist.
Abgeschreckte Teams
Ungewöhnlich viele der Teams hatten für die Preisverleihung dieses Jahr abgesagt – so wie der indische Professor Vikash Kumar, der den Ingenieurspreis erhielt für Schuh-Racks, die den Geruch stinkender Füße reduzieren. Zur Hürde der Reisekosten kam dann allerdings ein Pressefoto aus den USA, das Migranten aus Indien ohne Papiere in Fesseln zeigt. „Das bereitete mir Unbehagen und könnte der eigentliche Grund gewesen sein, nicht zu erscheinen.“1)
Die US-Politik hielt auch Deutsche davon ab anzureisen, darunter das Ehepaar Fritz Renner und Jessica Werthmann, klinische Psycholog:innen an der Universität Freiburg. Renner konnte nicht beiseiteschieben, dass sich die US-Regierung in die Finanzierung der Universitäten einmischt, und seine Frau und er wollten nicht riskieren, ihre Kinder zurückzulassen, falls sie an der US-Grenze stecken bleiben sollten. Dabei ist Völkerverständigung im wahrsten Sinne der Grund für ihren Friedens-Ig-Nobelpreis. Die Idee dazu entstand während einer Konferenz an der Bar. Einer der Autor:innen hatte behauptet, nach einem Glas Wein besser Holländisch zu sprechen. Einige angesäuselte Probanden später zeigten die Studienergebnisse: „Angetrunkene Deutsche betonen Holländisch normalerweise besser als nüchterne. Das denken sie nicht nur, unabhängige Zuhörer:innen bewerten den Ausdruck als klarer. Ein kleiner Schluck macht selbstbewusster … Bei höherer Dosis verschlechtert [Alkohol] jedoch Erinnerung, Aufmerksamkeit und das generelle Verhalten – die Sachen, die man braucht, um eine Sprache zu lernen.“
Mozzarella-Phase und Knoblauchmilch
Gelernt sein will auch das Zubereiten der „Pasta alla cacio e pepe“, mit Pecorino-Romano-Käse und schwarzem Pfeffer – seidig und cremig soll sie sein. Als die Physikpreisträger:innen aus Italien das Phasenverhalten der Proteinmischungen in der Soße studierten, stellten sie fest: Mit zu wenig Stärke aggregieren die Proteine bei 65 °C zu einem großen Klumpen, den sie „Mozzerella-Phase“ tauften. Während ein Autor die Zusammenhänge erklärt, verkleiden sich seine Kollegen auf der Bühne zu Köchen, und einer ganz in Weiß stopft sich ein Kissen unter den Pulli, verwandelt sich so zur Mozzarella und wird prompt mit Kochlöffeln verprügelt. Der Redner setzt an zu erzählen, dass Proteinaggregation wichtig sei, um den Ursprung des Lebens und die Erkrankung Alzheimer zu erklären, als ihn Mandoline und O-Sole-Mio-singende Coautoren übermannen und seinen Mund mit Spaghetti stopfen.
Dagegen erschien der Plüschknoblauch auf dem Kopf des Nobelpreisträgers Kaelin also völlig unauffällig. Apropos: Den Knoblauch bekam er von den Gewinner:innen des Ig-Nobelpreises für Pädiatrie. Diese hatten herausgefunden, welchen Effekt Knoblauch zu essen auf die Muttermilch hat – sie riecht stärker und schmeckt den Babys besser.
LB
- 1 Science, doi: 10.1126/science.z762kby
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