Gesellschaft Deutscher Chemiker

Meinungsbeitrag

Wie hält Deutschland den Anschluss?

Nachrichten aus der Chemie, November 2025, Seite 3, DOI, PDF. Login für Volltextzugriff.

Von Wiley-VCH zur Verfügung gestellt

Ein Leitartikel von Indra Hadeler und Carsten Busch

Chemie ist weit mehr als Laborarbeit. Sie treibt Kerntechnologien voran – von nachhaltiger Energie über grüne Chemie bis hin zu medizinischen Fortschritten. Die Branche steht exemplarisch für die Wertschöpfung durch Kompetenzen im Mint-Bereich, also in Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik. Doch Deutschland droht den Anschluss zu verlieren, unter anderem durch den Fachkräftemangel in den Mint-Disziplinen. Es fehlen bereits heute laut dem Mint-Frühjahrsreport über 160 000 Fachkräfte mit entsprechenden Qualifikationen. Davon ist auch die chemisch-pharmazeutische Industrie betroffen: Im Jahresdurchschnitt 2024 konnte diese mehr als 71 000 Stellen nicht qualifiziert besetzen, meldet der Fachkräftecheck Chemie 2025. Diese Schere droht sich weiter zu öffnen – verstärkt durch den demografischen Wandel und den Verlust an Kompetenzen in den entsprechenden Schulfächern. Es braucht klare politische Entscheidungen, um die Mint-Bildung in Deutschland zu stärken – in Kitas, Schulen, Forschung, Wirtschaft und auf dem Arbeitsmarkt.

Das Nationale Mint Forum hat dazu wichtige Impulse gegeben. Alles beginnt mit einer frühzeitigen Begeisterung für naturwissenschaftliche und technische Phänomene. Dazu bedarf es einer Stärkung der frühkindlichen und schulischen Mint-Bildung, indem die Ausbildung der Lehrkräfte verbessert wird. Die Chancen der digitalen Bildung und der Einsatz von künstlicher Intelligenz beim Lehren und Lernen sollten besser genutzt werden. Der Digitalpakt Schule kann dies maßgeblich voranbringen. Darüber hinaus bietet der flächendeckende Ganztag in den Grundschulen die Chance, als echter Bildungsort gestaltet zu werden, indem etwa die Zusammenarbeit mit außerschulischen Mint-Bildungsinitiativen strukturell gestärkt wird.

Im weiteren Bildungsweg spielen Hochschulen und die duale berufliche Ausbildung eine Schlüsselrolle, um Nachwuchs für die chemische Industrie zu gewinnen. Deshalb gilt es, in den Ausbau der Berufswahl- und Studienorientierung zu investieren. Mint-Berufe allgemein und Chemieberufe speziell bieten sinnstiftende und zukunftsfähige Tätigkeiten. Dies muss in der Beratung sichtbar werden. Gerade der Mint-Unterricht bietet sich an, um regelmäßig mit der modernen Berufswelt verknüpft zu werden.

Doch damit ist es nicht getan: Deutschland sollte seine Attraktivität für internationale Mint-Fachkräfte steigern. Besonders die Chemieindustrie, die exportorientiert und global vernetzt ist, profitiert davon. Der Fachkräftecheck Chemie mahnt, dass die Hürden für die Anerkennung internationaler Qualifikationen noch immer zu hoch sind. Die Politik sollte deshalb die Zuwanderung von Fachkräften in den Mint-Arbeitsmarkt erleichtern.

Es ist Zeit für eine nationale Strategie, die die bundesweite Mint-Förderung auf allen Ebenen sowie ressortübergreifend verankert. Hierfür müssen sich die Bildungs- und Familienpolitik, die Forschungs- und Innovationspolitik, die Arbeitsmarkt- und Wirtschaftspolitik enger miteinander verzahnen, um Ressourcen und Kompetenzen zu bündeln. Auch ist die Zusammenarbeit zwischen Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Bildung zu intensivieren. Regionale und nationale Partnerschaften sowie Netzwerke sollten gebildet werden: So lässt sich von der vielfältigen Landschaft unterschiedlicher Mint-Akteure in Deutschland profitieren – die Praxisnähe wird erhöht und Innovationen entstehen. Dann kann die Chemiebranche auch künftig als Schlüsselindustrie für Deutschland wirken.

Indra Hadeler und Prof. Dr. Carsten Busch sind die beiden Co-Vorstände des Vereins „Nationales Mint Forum“.https://eu-central-1.graphassets.com/Aype6X9u2QGewIgZKbFflz/cmhcyw9o56k2207um6ywgxcq9

LeitartikelSchlaglicht Wissenschaftskommunikation

Überprüfung Ihres Anmeldestatus ...

Wenn Sie ein registrierter Benutzer sind, zeigen wir in Kürze den vollständigen Artikel.